Eigentlich sollte dieser Blogpost Calais-Dieppe heißen. Doch unterwegs entschieden wir uns spontan, doch bis Fécamp weiter zu fahren.
Wir verließen Calais mit der vorletzten Brückenöffnung um 0832 und setzten unseren Kurs westwärts, dicht vorbei am Cap Gris-Nez. Dies ist die Stelle, an der der Ärmelkanal am engsten ist. Wind war leider wieder Mangelware, sodass unser treuer Motor mal wieder Überstunden schieben musste. Ich hatte ausgerechnet, dass wir bis zum Cap zunächst ca. 2 Knoten Strom gegen uns haben würden, sodass wir bei 6 Knoten Fahrt durchs Wasser nur 4 Knoten über Grund machen würden. Umso erstaunter war ich, dass das GPS Geschwindigkeiten von 7-8 Knoten anzeigte.
Offensichtlich hatten wir dicht unter Land eine Gegenströmung gefunden. Eine kurze Recherche bei Google bestätigte einen “courrant alternativ près de la côte”. Das Glück ist wohl mit den Tüchtigen. Oder wie man auch sagen könnte: Die dümmsten Segler erwischen die besten Strömungen.
Nach Passieren des Kaps setzte ich den Kurs südwestlich nahe am Rand des Verkehrstrennungsgebiets, um von der nun einsetzenden Ebbströmung profitieren zu können und dann später bei einem südlichen Kurs Richtung Dieppe die Flut eher von der Seite als von vorne zu haben.
Gegen 1400 bekamen wir Rückenwind und setzten die Segel. Mit ausgebaumter Fock und Bullenstander am Groß segelten wir platt vor dem Wind mit ca. 4 Knoten durchs Wasser.
So geht entspanntes Segeln. Peter, unser Windpilot, steuerte selbst mit kaum spürbarem scheinbaren Wind von hinten einen perfekten Kurs
Eigentlich wäre es Zeit gewesen, den Kurs südlicher in Richtung Dieppe zu setzen. Doch dann hätten wir nicht mehr vor dem Wind fahren können, und die Genua wäre durch das Groß abgedeckt gewesen. Also voraussichtlich ein Verlust an Geschwindigkeit.
Nach einem Check im Almanach entschieden wir uns, den Kurs zu halten und den Hafen von Fécamp anzulaufen. Der war nicht viel weiter entfernt und auch in Dieppe wären wir erst mitten in der Nacht angekommen. Außerdem genossen wir das entspannte Segeln einfach zu sehr, um die Maschine anzuwerfen.
Fécamp konnten wir nur deshalb anlaufen, weil wir akutell eine Niptide hatten. Der Außenhafen hat nämlich zeitweise nur eine Wassertiefe von 0,3 Metern. Bei Springtide wären wir dort trocken gefallen. Doch aktuell würden wir auch bei Niedrigwasser noch über 3 Meter Wassertiefe haben. Segeln in Tidenrevieren ist unglaublich interessant, man muss aber echt wissen, was man tut und wann man wo ist…
Wir wechselten uns ab mit Nickerchen machen, denn bei der aktuellen Geschwindigkeit wären wir nicht vor 5 Uhr morgens angekommen.
Leider schlief der Wind mit Sonnenuntergang ein, sodass wir die Segel bergen mussten. Unter Maschine ging es weiter, was das Schlafen leider nahezu unmöglich machte. Jetzt wäre eine Schallisolierung des Motorraums doch eine feine Sache gewesen…
Doch auch so genossen wir die Fahrt durch die Nacht unter einem wunderschönen Sternenhimmel. Erstaunlich war, dass man von Fécamp auf unserem aktuellen Kurs keinerlei Lichter sah mit Ausnahme eines kleinen grünen und eines weißen Lichts, die laut Almanach die Mole markieren sollten. Normalerweise ist die Hafenbeleuchtung von weitem kaum zu sehen vor lauter Lichtern der Stadt. Waren wir wirklich auf dem richtigen Kurs? Das Rätsel löste sich, als wir eine knappe Meile vor der Einfahrt waren: Die Stadt war komplett von einer riesigen Klippe in den Kreidefelsen verborgen.
Um kurz vor 0200 erreichten wir die Hafeneinfahrt und waren unglaublich froh, einen Plotter zu haben. Ohne wäre es extrem schwierig gewesen, die enge Hafeneinfahrt zu treffen, insbesondere da wir mit der Strömung zur Seite abgetrieben wurden und nun eben doch viele andere Lichter dafür sorgten, dass die Mole kaum zu erkennen war.
Doch mit dem Plotter konnten wir relativ leicht die Drift kalkulieren und entsprechend vorhalten, sodass wir sicher in den Hafen gingen. Wir machten an einem der Schwimmstege fest und fielen müde in die Kojen.
Am nächsten Tag ließen wir es ruhig angehen und genossen einen entspannten Sonntag. Wir gingen am Stadtstrand schwimmen. Ein toller Strand, allerdings durch die Kieselsteine etwas unangenehm an den Füßen und nicht ideal zum Auf-dem-Handtuch-liegen. Außer man steht auf diese Art von Massage.
Nachmittags wanderten wir auf die eben erwähnte Klippe und besuchten die Kirche der Fischer und Seefahrer. Ein ziemlich bewegender Ort, der den Besucher daran erinnert, dass mit dem Meer nicht zu spaßen ist.
Nach einem guten Abendessen in einem kleinen Restaurant gingen wir zeitig zu Bett, um am nächsten Tag fit zu sein für einen langen Schlag bis Saint Vaast de la Hougue.
All is well
Jan und Tom