Nachdem wir in Lemmer die Schleuse passiert hatten, war es endlich wieder Zeit, die Segel auszupacken. Wir wollten versuchen, je nachdem, wie sich der Wind entwickeln würde, entweder Lelystad oder Enkhuizen anzulaufen. Die generelle Windrichtung war Westsüdwest, sodass wir in beiden Fällen hätten kreuzen müssen.
Kurz nachdem die Segel oben waren, kam eine dunkle Gewitterwolke näher und näher. Nienke, die erfahrene IJsselmeer-Skipperin, wurde ein wenig nervös, da die Wolke wirklich etwas seltsam aussah, mit ausgefransten Regenschlieren an der Unterseite. Schnell wurde klar, dass wir da lieber nicht unter Vollzeug hineinsegeln sollten, und nach den ersten Böen entschlossen wir uns, die Segel für die Dauer des Gewitters komplett zu bergen.
Keine schlechte Idee, denn starke Böen aus wechselnden Richtungen mit heftigen Regenfällen zeigten uns, dass auch mit dem IJsselmeer nicht zu spaßen ist.
Doch nach einer knappen Stunde war der Spuk vorüber und wir setzten die Genua. So erreichten wir mit Rauschefahrt und hoch am Wind bis zu 7 Knoten, sodass wir recht zügig in drei langen Kreuzsschlägen bis vor die Hafeneinfahrt in Enkhuizen kamen.
In diesem Fall hatten wir Glück, erst nach 8 Uhr angekommen zu sein. So hatten wir freie Platzwahl und konnten uns den schönsten Platz direkt an der Außenmole mit freier Sicht aufs IJsselmeer sichern.
Dank Toms Kochkünsten genossen wir ein wunderbares Abendessen im Schein des Vollmonds und fielen glücklich in die Kojen.
Am nächsten Morgen besichtigten wir das schöne Städtchen und gingen auch an der Zeilvaartschool vorbei, wo Nienke noch ihr Buch mit den Ausbildungsnachweisen abholte. Die Schule ist die einzige in Europa, in der traditionelle Seefahrt gelehrt wird. Wenn ich von meiner Reise zurück bin, kann ich mir gut vorstellen, mich als “Nebenberuf” dort einzuschreiben.
Gegen Mittag legten wir ab und fuhren durch die Schleuse ins Markermeer. Der Wind war leider gegenan, sodass wir die erste Stunde motorten. Danach ging es dann in Rauschefahrt mit zwei Kreuzschlägen direkt vor die Hafeneinfahrt von Hoorn.
In Hoorn stieß am Abend meine alte Freundin Tine zu uns, um uns am nächsten Tag Richtung Amsterdam zu begleiten.
Auf dieser Strecke hatten wir wieder einmal Glück mit dem Wind. Zunächst ging es mit halbem Wind und 7 Knoten Rauschefahrt bis Marken, danach weiter hoch am Wind bis zur Insel Pampus, kurz vor der Einfahrt nach Amsterdam.
In der Schleuse gab es ordentlich Seitenwind, sodass ich sehr glücklich war, drei weitere Crewmitglieder an Bord zu haben. Auch die Einfahrt in die engen Boxen im Sixhaven war nicht ganz einfach, gelang aber dank der helfenden Hände sehr gut. Die Marina Sixhaven ist absolut empfehlenswert. Für 19€ pro Nacht lagen wir quasi direkt in der Innenstadt, eine fünfminütige Gratis-Fährfahrt vom Hauptbahnhof entfernt. Das wollten wir nutzen, und so entschlossen wir uns, zwei Nächte zu bleiben.
Tine verließ uns am Abend, dafür kam Toms Freundin Teresa zu Besuch. Den folgenden Tag verbrachten wir in der Stadt und mit ein paar Arbeiten am Boot. Unser treuer Motor freute sich über eine frische Portion Öl und wir uns über ein wohlverdientes Biertje in einer Hipster-Bar.
All is well!
Jan