Männer, die auf Boote schauen

Es ist ein ruhiger Tag im Hafen von Matosinhos. Das Sturmtief, dessen Ausläufer für einige unruhige Nächte gesorgt hatten, ist durchgezogen, und die Boote liegen nun wieder ruhig an ihren Stegen.

Die Liveaboards der Marina haben sich auf ein Bier auf einem der Boote eingefunden. Ausgiebig werden die Ereignisse der letzten Tage besprochen. Dabei geht es, wie zu erwarten, hauptsächlich um Boote. Was sind die Vorzüge von Stahlrümpfen im Vergleich zu GFK? Welche Segelführung ist auf Vorwindkursen die beste? Welche Windsteueranlagen haben sich über die Jahre bewährt? Und natürlich der Klassiker: Wer ist neu in der Marina und mit welchem Boot?

Diese Gespräche, die in ähnlicher Form seit Menschengedenken in den Cockpits und Hafenbars dieser Welt stattfinden, haben mich, mit einem Augenzwinkern, zu folgendem Gedicht inspiriert. Nur das mit dem Metrum muss ich noch ein bisschen üben… 😉

Spießer


Drei Männer auf Langfahrt, sonst jeder allein,
die saßen beim Bierchen, im Cockpit vereint.
Sie lachten und tranken auf ihr aller Wohl,
auf dass Sie der Teufel nicht allzu schnell hol.
Klopften die Schultern, wie schön es doch sei,
dass spießige Leben an Land ist endlich vorbei.
Die Freiheit der Meere, so groß und so weit,
die liegt nun vor uns, Juhe und Juhei!

Wisst ihr, sagt der eine, die Spießer an Land,
die denken, sie ham' ihr Leben in der Hand.
Die haben ein Häuschen, 'nen Job und 'nen Hund,
geh'n jeden Tag ins Büro, das ist nicht gesund.
Die stehen am Fenster, schau'n raus auf die Straße
und tuscheln im Stillen über des Nachbarn Nase.
Die putzen ihr Auto, tagaus und tagein,
und mähen den Rasen, denn Ordnung muss sein.

Wie gut sagt der andre, dass wir anders sind,
wir leben unser Leben, total selbstbestimmt.
Wir haben ein Schiff, haben Zeit doch kaum Geld,
basteln jeden Tag am Boot, das ist unsre Welt.
Wir schauen stets wachsam, wer neu ist im Hafen.
Guck mal der Anker, da könnt ich nicht ruhig schlafen.
Und schau mal der Rumpf, so ein Joghurtbecher,
der verliert doch den Kiel, beim erstbesten Brecher!
Was ist das denn für Ölzeug, hat er das von seiner Frau?
Der Typ ist kein Seemann, das seh' ich genau!

Wir polieren das Messing, lackier'n unser Holz,
das wär zwar nicht nötig, aber trotzdem, was soll's?
Wir pflegen unser Boot, Tag aus und Tag ein,
das ist Tradition, und Seemannschaft muss sein.

Da sagte der dritte, Moment mal, halt ein!
Ich seh' das genauso, aber könnte es sein,
dass sich unser Leben, sei es noch so frei,
nicht so sehr unterscheidet vom Landallerlei?
Da wurden sie still und dachten kurz nach,
sie sahen, dass es stimmte, was der dritte da sprach.
Es kommt nicht drauf an, wie und wo man lebt,
solang man sich nicht über andre erhebt.
Die Gläser klirrten, sie stimmten überein:
Was gibt es denn Schön'res, als Boot-Spießer zu sein?

Jan C. Athenstädt, ahora.de

Sind wir nicht alle ein bisschen spießbürgerlich, jeder auf seine Art? Ich freue mich auf eure Kommentare!

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10 comments
Hartmut says 23. Januar 2020

höhö….
Kannst demnächst meine Protestbanner bedichten. Ich halte Dich oder Euch auf dem laufenden. 😉

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Heinz & Angie says 23. Januar 2020

Köstlich dein Gedicht, genau so den Nagel auf den Kopf getroffen.
Wir sind auch solche Bootsspießer ?

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    Jan says 23. Januar 2020

    Haha, vielen Dank! 🙂

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DonCarlos says 24. Januar 2020

jetzt weiss ich endlich warum die Stadt KIEL so heisst 😀 – und klar, schon vor Jahren wurde mir klar, dass jeder Mensch auch spiessige Anteile aufweist .. allerdings auch gewisse Revoluzzer-Anteile 😎 – dannmal weiterhin viel Spass in den Häfen und auf den Meeren, bin auf meinen Landreisen häufig und gern in solche Yachthäfen und hab interessante Leut kennen gelernt

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Janns und Ilja says 27. Januar 2020

Großartig Jan! Wir sitzen in St. David‘s Harbour, Grenada in einer Bar beim Carib und trinken einen auf dieses wunderschön passende Gedicht!

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    Jan says 27. Januar 2020

    Oh wie schön, grüßt mir diese wunderbare Insel und esst auch ein Stück Schokolade für mich mit! Freue mich schon, nächstes Jahr in eurem Kielwasser zu folgen 🙂

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Marco Walter says 27. Januar 2020

Das Spießergedicht gefällt mir. Denn Spießer sind immer die anderen. Letztendlich ist doch die Frage, bin ich glücklich bei dem was ich tue. Erfüllt es mein Leben? Brauch ich mehr Hafen, oder brauche ich mehr See? Der Wind kann drehen und dann nimmt die Fahrt und das Leben eine andere Richtung.

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    Jan says 27. Januar 2020

    Danke lieber Hombre für die schönen Worte! 🙂 Mal sehen in welche Häfen und Ankerbuchten mich der Wind noch so treiben wird…

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horst stahmann says 23. März 2020

Wunderbares Gedicht, lustig und ernst zugleich und natürlich trifft es den Nagel auf den Kopf. Danke dafür

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    Jan says 23. März 2020

    Danke für das Lob 🙂 Und liebe Grüße in die Heimat!

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