Als ich vor einem Jahr in Hamburg die Leinen los warf, war mein Ziel recht klar: ab in die Karibik. Der Plan war, im Sommer 2020 über Marokko auf die Kanaren zu segeln. Von dort aus im Herbst nach Senegal und Gambia und dann im Winter nach einem Zwischenstopp auf den Kapverden den Atlantik in Richtung Karibik zu überqueren.
Doch dann kam Corona. Auch wenn ich mehrere Segler getroffen habe, die auch in Zeiten der Pandemie Ozeane überqueren und ferne Länder bereisen, so habe ich persönlich beschlossen, meine Pläne der aktuellen Situation anzupassen. Einen Lockdown vor Anker, wie in Portugal, möchte ich ungern außerhalb Europas erleben. In vielen Ländern herrschen zudem sehr strenge Quarantäneregeln, falls eine Einreise überhaupt möglich ist.
Hinzu kommt, dass ich befürchte, die Welt wird auch langfristig durch das Virus verändert. Vor allem in ärmeren Ländern, die stark vom Tourismus abhängig sind. Hier könnte ich mir vorstellen, dass ein Jahr ohne Gäste massive Probleme und eventuell auch erhöhte Kriminalität nach sich ziehen wird. Also lieber erst mal abwarten, wie sich die Lage in Afrika und Mittelamerika entwickelt.
Doch was war die Alternative? Da ich nicht anderthalb Jahre nur an der Algarve verbringen wollte, blieb eigentlich nur eins: das Mittelmeer!
Eigentlich war das nicht auf der Liste meiner Ziele, da ich überfüllte Ankerbuchten und überteuerte Marinas vermeiden wollte. Doch andererseits ist ja vielleicht gerade der Sommer 2020 eine ideale Gelegenheit, ein Mittelmeer zu bereisen, das nicht ganz so überfüllt ist wie sonst.
Außerdem machten Bilder von Ankerbuchten mit kristallklarem Wasser doch Lust, den Süden Europas zu erkunden…
Zunächst musste ich nach meiner Rückkehr nach Faro allerdings ein paar Dinge am Boot erledigen. Unter anderem war eine neue Schicht Antifouling bitter nötig. Auf dem Werftgelände war es allerdings dermaßen heiß, dass ich die Arbeiten auf ein Nötigstes beschränkte und dann so schnell es ging einen Krantermin vereinbarte.
Das Einwassern war aber sowieso an der Zeit, denn es hatte sich Besuch angekündigt: Mein Bruder Tom hatte Urlaub und kam an Bord, um mit mir gemeinsam Richtung Osten aufzubrechen. Es war schön, Tom wieder für drei Wochen an Bord zu haben. Bei seinem letzten Besuch segelten wir gemeinsam von Cuxhaven nach Cherbourg. Im Gegensatz zur kalten und harten Tour auf der Nordsee im letzten Sommer sollte unser diesjähriger Segeltörn eher von Hitze und wenig Wind geprägt sein.
Nach einer Nacht vor Anker an der Ilha Culatra setzten wir am Nachmittag die Segel, um über Nacht die 80 Seemeilen nach Cadiz zu segeln. Wir waren ein wenig unter Zeitdruck, denn in der Straße von Gibraltar weht es entweder heftig aus West, oder eben heftig aus Ost – der sogenannte Levante.
Und genau dieser Wind war für die kommende Woche angekündigt. Und dann gleich für die darauf folgenden zwei Wochen. Das heißt, wenn wir es nicht innerhalb von vier Tagen durch die Straße von Gibraltar geschafft hätten, hätten wir vermutlich ziemlich lange im Atlantik abwarten müssen.
Also los! Der Wind schwächelte zwar etwas, doch trotzdem kamen wir mit zunächst 3, später gut 4 Knoten unserem Ziel näher. Tom wurde für den etwas hektischen Aufbruch und seine leichte Seekrankheit mit Delfinen entschädigt, die uns ein Stück begleiteten.
Wir teilten uns die Nachtwachen in Zwei-Stunden-Schichten ein. Die Nacht verlief ruhig, auch wenn ich leider kaum Schlaf fand. Obwohl ich ja eigentlich entspannen konnte während Tom Wache hielt. Aber so ganz abschalten geht eben doch nicht, wenn ich als Skipper die Verantwortung trage.
Gegen Mittag kamen wir in Cadiz an und schauten uns trotz Müdigkeit und extremer Hitze ein wenig in der Altstadt um.
Nach einer ruhigen Nacht im Hafen warfen wir am nächsten Morgen um 9 die Leinen los und machten uns auf den Weg nach Tarifa. Wir hatten zum Glück guten Wind und konnten einen Großteil der Strecke segeln.
Tarifa ist der südlichste Punkt Kontinentaleuropas und man hat eine klare Sicht auf den afrikanischen Kontinent. Sogar einzelne Häuser der Stadt Tanger konnten wir ausmachen. Normalerweise hätte ich nichts lieber getan, als Marokko zu besuchen.
Aber in diesen außergewöhnlichen Corona-Zeiten ist es uns als Europäern leider unmöglich, in das Land einzureisen. Ein interessanter Perspektivenwechsel, denn normalerweise sind es wohl eher die Menschen auf der anderen Seite, die sehnsuchtsvoll nach Europa blicken.
In Tarifa gibt es leider keinen Yachthafen, sondern nur eine Ankerbucht, die zwar windgeschützt war, in der allerdings ordentlich Schwell herrschte. Trotzdem ließen wir uns nicht davon abhalten, mit dem Dinghy an Land zu fahren und das Städtchen zu besuchen. Uns beiden gefiel Tarifa außerordentlich gut, und wir fanden es sehr schade, dass wir nicht länger bleiben konnten.
Am nächsten Morgen lichteten wir den Anker und ließen uns nur unter Genua Richtung Osten ins Mittelmeer pusten. Wie wir bereits in verschiedenen Publikationen gelesen hatten, bläst der Wind durch den Düseneffekt am Felsen von Gibraltar häufig 2-3 Beaufort stärker als im Rest der Meerenge. Und genauso war es auch.
Ich war mehrmals kurz davor, die Genua mit der kleinen Fock zu tauschen, da wir stellenweise doch zu viel Segelfläche hatten, als wir mit über 8 Knoten die Wellen runter surften. Hier wäre jetzt eine Rollgenua echt hilfreich gewesen, die wir einfach ein Stück hätten einrollen können.
Nach einer Stunde Dahinzischen mit bis zu 30 Knoten Wind von achtern flaute es wieder auf beherrschbare 20 Knoten ab und wir segelten zügig durch bis kurz vor den Hafen von Marbella.
Dort erlebten wir unsere erste “Mittelmeer-Überraschung”. Einer Intuition folgend rief ich den Hafen an, um unsere Ankunft anzukündigen. Nur um zu erfahren, dass er komplett voll war. Zum Glück gab es noch eine weitere Marina nebenan, die uns einen Platz zuwies, der aber eigentlich für ein 13-Meter-Boot gedacht war. Entsprechend war dann auch die Liegegebühr mit über 40€ doppelt so hoch wie sie eigentlich für ein Boot von ahoras Größe gewesen wäre.
Ankern wäre vor der ungeschützten Küste ohne Schwell auch keine Option gewesen. Da am nächsten Tag Gegenwind war, reservierten wir vorausschauend einen Platz in der ursprünglich geplanten Marina und verholten uns am nächsten Tag.
Marbella gefiel uns eher so mittelprächtig. Die Altstadt ist zwar ganz schön, aber doch arg touristisch geprägt. Und drumherum gibt es eigentlich nur hässliche Hochhäuser. Eine Architektur, die uns in weiten Teile der Costa del Sol begleiten sollte. Außerdem gibt es einige Restaurants an der Marina, die uns bis in die Morgenstunden mit lauter Partymusik beschallten.
Nach zwei Tagen im Ort machten wir uns wieder auf, weiter gen Osten. Unser nächstes Ziel (in Ermangelung einer Ankerbucht) war Benalmádena. Vorsichtshalber rief ich vorher bei der Marina an, allerdings ging nur ein Anrufbeantworter ran. Naja, irgendwie würden wir schon Platz finden.
Als wir am Wartesteg festmachten und zur Rezeption gingen, machte die Dame große Augen: Wie, ihr wollte einen Liegeplatz haben? Für wann denn? Wie, ihr habt euer Boot schon dabei? Also heute Nacht?
Als wir dann erklärten, dass wir nur auf der Durchreise waren und nicht etwa einen Jahresvertrag haben wollten, hellte sich ihre Miene auf. OK, klar für eine Nacht haben wir einen Platz. Uff! Fahrtensegler scheinen hier in der Gegend anscheinend eine echte Seltenheit zu sein…
Als wir von den Marineros an unseren zugewiesenen Platz gelotst wurden, war uns auch schnell klar warum: Die Marina war nicht neben, sondern mitten IN einem Shopping Center. Direkt an unserem Liegeplatz waren Shops und Restaurants, die sich auf drei Stockwerken um die komplette Marina herum zogen. Wir fühlten uns definitiv fehl am Platz.
Da es extrem heiß war unter Deck, entschied ich mich, trotzdem im Cockpit in der Hängematte zu schlafen. Dank Ohropax kein Problem, aber ich möchte nicht wissen, auf wie vielen Fotos von Einkaufstouristen ich nun verewigt bin: Der schlafende Typ in seiner Hängematte auf dem Uralt-Boot mitten in der Mall.
Am nächsten Tag war leider wieder kaum Wind, aber da wir keine Lust auf eine weitere Nacht in der Mall hatten, motorten wir die 37 Meilen bis zur Punta de Cerro Gordo.
Dort war tatsächlich der erste halbwegs geschützte Ankerplatz an der spanischen Mittelmeerküste seit Gibraltar. Die Gelegenheit ließen wir uns nicht nehmen! Zwar gab es ein wenig Schwell, aber insgesamt hatten wir trotzdem eine deutlich ruhigere Nacht als in den Marinas.
Außerdem freuten wir uns sehr, ein wenig von Natur umgeben zu sein; ein starker Kontrast zu den hässlichen Hochhäusern, die sonst einen großen Teil der Costa del Sol ausmachen.
Vor allem lud das kristallklare Wasser zum Schwimmen ein. Das war aber auch bitter nötig, denn die Hitze während des Tages war kaum auszuhalten. Insbesondere unter Deck, nachdem der Motor über mehrere Stunden gelaufen war.
Da uns der Ankerplatz gut gefiel und der Wind am nächsten Tag sowieso aus der falschen Richtung kam, blieben wir noch eine weitere Nacht. Ich nutzte die Zeit, um einige kleine Wartungsarbeiten am Motor vorzunehmen und das Kühlwasser für den inneren Kühlkreislauf zu wechseln.
Am nächsten Tag ging es weiter nach La Rabita, ein erstaunlich untouristischer Ort, der leider aber auch ein wenig ausgestorben wirkte. Da kaum Wind war und quasi kein Schwell, konnten wir vor dem Stadtstrand ankern und uns am Abend einige lokale Tapas genehmigen.
Dann ging es weiter nach Almerimar. Auch wenn wieder größtenteils Flaute herrschte, konnten wird doch immerhin ein kleines Stückchen segeln.
Auch wenn Almerimar unter Seglern als eine gute Adresse zum Überwintern gehandelt wird, waren wir zumindest bei unserer Stippvisite im Sommer nicht besonders überzeugt. Was wohl mal als ein Luxusresort geplant war mit Yachthafen und Golfplatz, wirkte doch insgesamt recht trostlos. Ein Großteil der Geschäftsräume war zugemauert, es gab gefühlt mehr Immobilienmakler als Einwohner und das Essen in den Restaurants überzeugte uns auch nicht wirklich. (Es gibt wahrlich Leckereres als britisches Barfood.)
Da jedoch als Abwechslung zur Flaute nun Gegenwind herrschte, und die Preise für den Hafen recht günstig waren, blieben wir trotzdem 3 Nächte.
Dann kam endlich der sehnlich erwartete Wind. Zwar nur für ca. 24 Stunden, aber das wollten wir nutzen! Also los: Wir starteten am Vormittag und konnten tatsächlich die ersten 100 der 120 Meilen bis zu unserem nächsten angepeilten Ankerplatz hinter dem Cap Tiñoso segeln! Auch wenn es eine anstrengende Nachtfahrt werden würde, waren wir doch froh, zur Abwechslung einmal voran zu kommen, ohne die ganze Zeit Diesel zu verbrennen.
Unterwegs kam uns Lars entgegen, ein Freund von Ben und Elena, der gerade deren neu gekauften Katamaran von Kroatien nach Portugal überführte. Eine schöne Gelegenheit für einen kurzen Plausch und ein Fotoshooting auf hoher See.
Der Ankerplatz war nicht schlecht, zur Abwechslung einmal wirklich komplett in der Natur. Leider war es tagsüber zu heiß, um groß Wandern zu gehen, und außerdem waren wir doch etwas gerädert vom Schlafmangel in der Nacht. Also beschränkten wir unseren Landbesuch auf einen kleinen Spaziergang.
Am nächsten Tag motorten wir die zehn Meilen nach Cartagena. Die Stadt gefiel uns wirklich gut, und auch der Hafen war sehr schön und zentral gelegen. Wir fanden sogar ein super Café, und ich nutzte die Gelegenheit, um mich ein wenig um die Geschäfte im KlabauterShop zu kümmern.
Nach zwei Nächten in Cartagena gab es wieder ein gutes Windfenster, und wir segelten um das Cabo de Palos ins Mar Menor. Dieses Binnengewässer ist extrem flach und hat sehr salzhaltiges Wasser. Beim Schwimmen kam man fast ins Schwitzen, so warm war das Wasser.
Wir ankerten vor einer Insel und ich freute mich schon auf eine morgendliche Jogging-Runde. Leider stellte sich heraus, dass die Insel in Privatbesitz und das Betreten verboten war. Schade!
Am nächsten Tag ging es dann weiter mit perfektem Wind zum nächsten Ankerplatz, hinter der Insel Tabarca. Wir freuten uns sehr, dass wir nach den vielen Motorstunden im westlichen Teil des Mittelmeers nun endlich ordentlich segeln konnten.
Tabarca ist zwar ganz schön, aber am nächsten Morgen füllte sich der Ankerplatz schnell mit kleinen Motorbooten, die laute Musik spielten. Und auch an Land wurde es schnell sehr voll. Also nichts wie weg. Bis Alicante, unserem nächsten – und für Tom letzten – Hafen waren es nur ca. 10 Meilen, sodass es uns nicht störte, dass kaum Wind war. Wir machten uns einen Salat und genossen die letzten gemeinsamen Stunden unter Segeln.
In Alicante machten wir Klarschiff und besuchten das Volvo Ocean Race Museum. Schade, dass Tom wieder zurück nach Brüssel zum Arbeiten musste. Aber ich freute mich auch über die tolle gemeinsame Zeit. Im Vergleich zu unserer Tour auf der Nordsee vor genau einem Jahr war diesmal eher die Hitze statt Regen und Kälte das Problem.
Ich war sehr froh, dass wir doch relativ viel Strecke gemacht hatten in den drei Wochen. Insgesamt über 500 Seemeilen. Vielen Dank, lieber Bruder, dass du auch dieses Jahr wieder Teil der ahora-Crew warst!
Ich freue ich mich aber auch darauf, ab jetzt wieder als Solo-Segler Abenteuer zu erleben.
All is well
Jan