Vor Anker im Norden Galiciens

Nach der anstrengenden Überquerung der Biskaya wollte ich mich erst einmal ein wenig ausruhen. So verholte ich das Boot am Morgen vor den Stadtstrand in der Ria de Viveiro und machte erst mal Klarschiff. Nach einem ausgiebigem Mittagessen schwamm ich ein paar Runden ums Boot und verbrachte den Nachmittag mit Lesen.

Ich hatte ja immer noch kein Handy, und mein erster Impuls war, mit dem Dinghy nach Viveiro zu fahren, um mir dort Ersatz zu beschaffen. Doch konnte ich erstens mit dem Laptop über Skype und per Mail auch so meine sichere Ankunft verkünden. Und zweitens war der Verlust des Handys auch einmal eine gute Gelegenheit, die Ruhe und Einsamkeit zu genießen. Im Hier und Jetzt zu sein: aquí y ahora 🙂

So ließ ich das Dinghy unter den Kojenbrettern im Vorschiff und genoß einfach einen Tag des Nichtstuns.

Am nächsten Morgen kribbelte es mich aber doch unterm Hintern, ich wollte weiter nach Cedeiro, in einen geschützten Ankerplatz auf der anderen Seite des Cabo Ortegal. Also Segel setzen und ab gehts. Doch bereits kurz vor der Punta Estaca de Bares, dem nördlichsten Punkt des spanischen Festlandes begann es ziemlich zu blasen. Böen deutlich über 6 Windstärken legten das Boot ziemlich auf die Backe. Gleichzeitig sah ich einen verlockenden Sandstrand querab, am Eingang der Ria d’O Barqueiro. Und mir fiel ein, dass ich ja jetzt Zeit hatte.

Die nächsten Wochen wollte ich damit verbringen, Galicien zu erkunden. Warum dann also gegen den Wind um das Kap, wenn es auch hier in der nächsten Bucht offensichtlich viel zu entdecken gab. Laut Seekarte bot der Ria einen perfekten Ankerplatz bei Süd- und Westwinden. Also ab dahin: Segel runter und eine halbe Stunde gegen den Wind in die Ria motort.

Ich wurde nicht enttäuscht. Die flache Bucht mit einem guten Kilometer Durchmesser bot einen schönen Ankerplatz vor einem riesigen Sandstrand. Ich war weit und breit das einzige Segelboot; an beiden Enden der Bucht waren jeweils kleine Fischerhäfen. Hier konnte ich es sicherlich eine Weile aushalten. Das wäre wahrscheinlich auch nötig, denn der Wetterbericht prognostizierte starke bis stürmische Westwinde in der Biskaya für die nächsten Tage. Also nicht optimal, um weiter Richtung A Coruña zu segeln.

Also hier erst mal einrichten. Bei der Anfahrt hatte ich einige kleine versteckte Strände und Höhlen gesehen, die ich nun mit dem Dinghy erkunden wollte. Also nichts wie los: Dinghy aufpumpen, Außenborder dran und ab geht die Post. Zu meiner Freude stellte ich fest, dass mein Dinghy mit dem 3,5PS-Außenborder mit einer Person sogar ins Gleiten kommt. Bisher war ich immer nur zu zweit oder zu dritt damit unterwegs gewesen. So ist es deutlich leichter, auch größere Strecken zu überwinden.

Ich fuhr direkt zum Strand, machte einen langen Spaziergang entlang der Bucht und zurück durch den angrenzenden Wald. Wie schön, den Sand und das Moos unter den nackten Füßen zu spüren. Gleich am Strand war eine große Höhle, die ich natürlich genauer unter die Lupe nahm. Ich fühlte mich zurückversetzt in meine Kindheit, als solche Erkundungstouren am Strand für mich das Größte waren.

Weiter ging die Dinghy-Tour entlang der Felsen von O Vicedo, wo ich einen weiteren schönen Strand erkundete und in eine Höhle mit dem Dinghy hineinfuhr. Ganz schön aufregend. Und von der Decke hingen sogar Fledermäuse!

Am Abend fuhr ich mit dem Dinghy nach O Barqueiro, auf der anderen Seite der Ria und gönnte mir ein fürstliches Abendessen als Belohnung für die Biskaya-Querung: Muschelsuppe und Tintenfisch frisch aus der Ria. Dabei stellte ich zu meiner Freude fest, dass mein Spanisch gar nicht so eingerostet war wie befürchtet. Ich konnte sogar ein wenig mit der Kellnerin quatschen.

Dieser Tag war ganz dem Ankommen und Erkunden gewidmet. Darum hat es mich auch nicht gestört, kein Handy für Bilder zu haben. Im Gegenteil, es war schön, die Eindrücke einfach so auf mich wirken zu lassen.

Am nächsten Tag hat mich aber schon gewurmt, die tolle Gegend nicht mit euch Bloglesern teilen zu können. Also habe ich gegen meine eiserne Regel verstoßen, die besagt, dass das Tablet nur für die Navigation genutzt wird. Aber es steckt ja in einer Schutzhülle, und so hat es die folgende Tour mit dem Dinghy unbeschadet überstanden und ich habe ein paar Bilder, die ich euch zeigen kann (auch wenn die Tablet-Kamera leider nicht besonders gut ist…)

Frischer Kaffee und Müsli an Deck. Im Hintergrund der Strand und O Barqueiro
Ahora vor Anker allein in der riesigen Bucht
Die Höhle am Strand vom Vortag konnte ich nicht links liegen lassen
Das Dinghy ist zwar alt, verrichtet seinen Dienst aber perfekt.

Nach dem Strand machte ich mich daran, mit dem Dinghy den kleinen Fluss zu erkunden, der in der Ria mündet. Was für ein schönes Naturerlebnis. Zwischen Sandbänken und bewaldeten Hängen geht es den Flusslauf hinauf bis zu einer kleinen Insel. Da Ebbe ist, muss ich ganz schön aufpassen, und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mehrmals mit dem Außenborder aufgesetzt habe. Das ist natürlich nicht gut fürs Material, ich sollte demnächst echt mehr aufpassen. Aber es ist auch gar nicht so leicht, vom Boot aus die flachen Stellen zu erspähen.

Mit dem Dinghy den Fluss erkunden. So habe ich mir das Seglerleben vorgestellt!

Vor der Insel wurde es allerdings (wegen der Ebbe) eindeutig zu Flach zum weiterfahren und zu matschig zum Anlanden. Dafür griff ich kurz neben das Boot, um einen Klumpen miteinander verwachsener Austern mitzunehmen. Das wäre doch eine nette Vorspeise zum Abendessen. Auf dem Rückweg kam ich dann auch noch an der Hauptspeise vorbei: Miesmuscheln, die zuhauf an einem Brückenpfeiler wuchsen. Ich brauchte nicht einmal zwei Minuten, um mein Abendessen zu pflücken.

Hier wächst das Abendessen an Brückenpfeilern
Die Beute des Tages (Links unter dem Fuß zudem Plastikmüll vom Strand. Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, bei jedem Besuch am Strand mindestens drei Plastikteile einzusammeln. Auch wenn es nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist: Wenn das jeder so machen würde, wären unsere Strände deutlich sauberer…)

Zurück an Bord machte ich mich zunächst daran, die Muscheln zu säubern und dann, die Austern zu knacken. Da ich kein Austernmesser habe, musste ein Meißel und das Küchenmesser herhalten. Eine ziemliche Sauerei, aber am Ende habe ich gewonnen.

Besonders stilvoll sind die Austern nicht geknackt…
…doch sie schmecken dafür umso besser!

Die Miesmuscheln kochte ich mit Zwiebeln und Knoblauch in einer Tomatensoße. Extrem lecker und toll, wenn man sich in der Natur so selbst versorgen kann.

Extrem simpel und extrem lecker: Miesmuscheln in Tomatensauce
Prost.

Am nächsten Tag fuhr ich mit dem Dinghy nach O Vicedo, um eine Wanderung durch die Wälder der Umgebung zu machen. Die Dörfer hier sind in der Nebensaison ziemlich verschlafen, die Landschaft dafür umso schöner.

Der Weg führte durch einen Eukalyptus-Wald an der Küste entlang. Eukalyptus wird hier seit dem 19. Jahrhundert angepflanzt, weil es deutlich schneller Holz liefert als die heimischen Nadelbäume. Außerdem hält es Waldbränden stand. Trotzdem ist dieser massive Anbau einer nicht-heimischen Baumart wohl auch nicht unproblematisch. Ein eindeutiger Vorteil aber ist der Geruch. Ein Eukalyptus-Wald riecht einfach schön… 🙂

Eukalyptus-Bäume überall
Vom Wanderweg aus sieht man, wie die Fallwinde auf das Wasser drücken

Nach einer guten Stunde machte ich am Playa de Xilloi Rast. Das war der Strand, der mich überhaupt erst hier in die Ria gelockt hatte. Da es anfing zu regnen, zog ich eine alte Palette in eine Grotte im Felsen und machte es mir mit einem Apfel und einem Buch bequem. Was ein schöner Ort, um zu entspannen. Wie auch schon an „meinem“ Strand (also in meiner Ankerbucht) war auch hier keine Menschenseele zu sehen. Erstaunlich! Abgesehen von Regenschauern ist hier doch prima Wetter und das Wasser ist auch warm genug zum Baden. Aber offensichtlich ist Ende September hier nichts mehr los…

Meine Raststätte…
…am wunderschönen Playa de Xilloi

Nach meiner Rückkehr an Bord aß ich noch einen Salat und machte es mir dann mit einem Buch in der Koje gemütlich. Allerdings kam ich zu wenig Schlaf in dieser Nacht, denn der Wind pfiff dermaßen im Rigg, dass ich öfter aufstand, um den Anker zu kontrollieren. Dabei maß ich mit dem Hand-Anemometer in Böen über 40 Knoten: Das ist Windstärke 9! Die Messwerte der Wetterstation an der nahegelegenen Punta Estaca de Bares zeigten sogar in Böen bis 11 an. Ein Glück, dass die Ankerbucht flach und weitläufig war und ich einen überdimensionierten Anker habe. Wir bewegten uns jedenfalls in der Nacht keinen Zentimeter. Gut zu wissen, dass ich mich auf das Ankergeschirr verlassen kann.

Am nächsten Morgen ging es mir leider nicht sehr gut. Ich fühlte mich exakt wie am ersten Morgen auf der Biskaya: leicht schlecht, Kopf- und Gliederschmerzen und eine unruhige Verdauung. Was war denn jetzt los? Seekrank war mir wohl nicht, auch wenn das Boot vor Anker vom Wind teilweise ganz schön auf die Seite gedrückt worden war. Hatte ich was Falsches gegessen?

Ich hatte zunächst die Muscheln im Verdacht, aber das war schon länger als 24 Stunden her. Vielleicht der Salat? Nach ein wenig Recherche auf Google war ich ziemlich entsetzt: Ich hatte den abgepackten Salat vor einer guten Woche in Vannes gekauft und ihn nun, obwohl er schon sechs Tage abgelaufen war, verspeist. Er sah schließlich noch gut und knackig aus. Wohl ein Fehler, denn wie ich im Internet las, sind abgepackte Salate ähnlich anfällig für Keime wie Hühnchen- oder Hackfleisch.

Wer hätte das gedacht? So langsam dämmert es mir, dass auch mein Unwohlsein auf der Biskaya von einem Salat verursacht worden sein könnte. Schließlich hatte ich vor der Abfahrt noch einen „alten“ Salat aus dem Kühlschrank gegessen. Die Symptome stimmten jedenfalls mit denen überein, die ich jetzt hatte.

Da blieb nicht viel übrig, als abzuwarten. Den Dienstag verbrachte ich an Bord mit viel Schlaf, und als es mir am Mittwoch etwas besser ging, entschied ich mich, für zwei Nächte nach Viveiro in den Hafen zu gehen, um mich ein wenig zu erholen, das Schiff klar zu machen und mir endlich ein neues Handy zu kaufen.

Jetzt geht es mir zum Glück wieder gut.

All is well

Jan

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2 comments
Claudio says 29. September 2019

He – wart mal – Seekrankheit darf sein!! Nicht auf den Salat schieben ; )
Ich habe das auch schon in Verbindung mit körperlicher Überanstrengung erfahren müssen.
Meteorologisch hast du ja ein Kunststück vollbracht und den wahrscheinlich letzten Lift über die Biskaya genommen. Hier bläst es jetzt ordentlich von Süd West,und trotz deiner Schilderungen von Starkwind und Sturm hast du es in den subtropischen Gürtel geschafft. Glückwunsch!! Mal schauen wo sich Lornzo austobt.

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Klaus says 1. Oktober 2019

Es war der Salat, hatte ich auch schon ein paar Mal!
Ist ja eigentlich auch Hasenfutter… 😉
…und wer will schon wissen, wann und wo der Abpacker des Salats sich das letzte mal die Hände gewaschen hat.
Handbreit und weiter!

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