Friesland

Nach den Strapazen der Nordsee waren wir froh, in Dokkum im Stadthafen einen schönen und geschützten Liegeplatz gefunden zu haben. Und das war auch nötig. Selbst im Hafen zwischen den Häusern der Stadt haben wir am Samstag an Deck Böen bis 8 Beaufort gemessen. Nicht auszumalen, wie es jetzt auf der Nordsee ausgesehen hätte…

Aber auch in den Kanälen wäre eine Weiterfahrt ziemlich anspruchsvoll geworden und, wie wir später erfuhren, waren sowieso einige Brücken wegen zu viel Wind gesperrt. So nahmen wir uns Zeit, am Samstag ein wenig die Stadt kennen zu lernen, ein neues Handy für mich zu kaufen und einen Waschsalon zu suchen.

Endlich konnten wir die mittlerweile beträchtliche Anzahl an salzigen Klamotten waschen, und unser Cockpit verwandelte sich schnell in eine bunte Wäscheleine.

Am nächsten Tag ging es weiter nach Leeuwarden. Die Kanäle in Friesland sind recht abwechslungsreich, und wenn man umsichtig fährt, ist die Kanalfahrt sehr angenehm. Ab und zu kommt es bei starken Windböen in den Wartebereichen vor den Brücken zu einigen spannenden Hafenkino-Szenen, aber Tom und ich sind mittlerweile ein eingespieltes Team und wir haben das Boot gut im Griff.

Eine typische Szene auf den Kanälen in Friesland
Da darf eine Tasse Kaffee natürlich nicht fehlen

Party in Leeuwarden

Leeuwarden hat als Hauptstadt von Friesland einiges zu bieten, und wir hatten über das Internet ein paar nette Leute kennengelernt, mit denen wir ein wenig die Stadt erkundeten und zwei parallel laufende Musikfestivals besuchten.

Gemeinsam mit unseren Bekanntschaften…
…genossen wir entspannte Reggaemusik im Park…
…und haben beim Metal-Festival ordentlich abgerockt
Nach dem Feiern eine Portion Patatje Oorlog („Pommes Krieg“, mit Majo und Erdnusssoße)

Nienke, eine der beiden Mädels, ist Friesin und Skutsje-Kapitänin. Außerdem besuchte sie die Zeilvaartschool in Enkhuizen (wo auch die meisten Crewmitglieder der Bark Europa waren, auf der auch ich einige Monate gefahren bin), und es stellte sich heraus, dass wir viele gemeinsame Bekannte hatten. Wir verstanden uns auf Anhieb super.

Da Nienke sowieso die nächsten Tage frei hatte, entschloss sie sich spontan, uns eine Weile zu begleiten. So ein Angebot konnten wir natürlich nicht ablehnen. Meiner Meinung nach gibt es keine bessere Art, ein Land kennen zu lernen, als gemeinsam mit Einheimischen zu reisen.

Nienke, unsere private Lotsin und Reiseführerin für Friesland

Und so lernten wir in den kommenden Tagen eine Menge über die Geschichte Frieslands, die verschiedenen Typen von Plattbodenschiffen und die Tradition des Skûtsjesilen. Außerdem durften wir die friesische Popmusik kennenlernen und auch ein paar Worte auf Friesisch.

Die Duplizität der Ereignisse

Am nächsten Tag ging es also zu dritt weiter Richtung IJsselmeer. Zunächst war allerdings Geduld gefragt. Wir brauchten über zwei Stunden, um die drei letzten Brücken von Leeuwarden zu passieren. Das lag vor allem daran, dass eine Eisenbahnbrücke erst nach einer halben Stunde öffnete, dann aber hinter einem riesigen Berufsschiff direkt wieder schloss, um die nächsten Züge durchzulassen.

Wir werden überholt von einem riesigen Schiff voller Schrott…
…das wirklich nur um Haaresbreite durch die Brücke passte

Wir nahmen das aber gelassen und machten an einem Brückengeländer fest. Wohlgemerkt am Geländer der Brücke AUF der wir uns mit Ahora befanden. Die Holländer bauen nämlich zunehmend Aquädukte, bei denen die Straße unter dem Kanal durchführt. Es ist auf jeden Fall ein lustiges Gefühl, mit dem Boot auf einer Brücke eine vierspurige Straße zu überqueren.

Parken auf der Brücke vor der Brücke
Aquädukte machen das Zusammenspiel zwischen Autos und Booten deutlich entspannter für beide Seiten

Eigentlich war als Tagesziel Lemmer geplant, doch die Dinge kamen dann doch anders. Als wir an einer Brücke im Prinses-Margriet-Kanal im Leerlauf warten mussten, meldete sich Tom zu Wort und behauptete, die Maschine würde anders klingen als sonst. Ich selbst habe keinen nennenswerten Unterschied gemerkt, aber zur Sicherheit natürlich trotzdem noch einmal nach dem Motor geschaut.

Da war der Schreck groß: Die vordere Aufhängung der Maschine war offensichtlich lose! Das sorgte dafür, dass der vordere linke Teil des Motors im Leerlauf in starke Schwingung geriet. Sofort schossen mir Gedanken durch den Kopf: Ist die Aufhängung gebrochen? Hat sich die Welle verzogen? Lässt sich das überhaupt reparieren oder brauche ich gar eine neue Maschine? Auf jeden Fall ging ich davon aus, dass die ganze Aktion teuer werden würde.

Auf den ersten Blick sah das gar nicht gut aus…

Doch darum konnte ich mich erst später kümmern. Zunächst ging es darum, in den nächsten Hafen zu kommen, ohne noch mehr Schaden zu verursachen. Glücklicherweise schien es so, dass die Maschine in niedrigem bis mittlerem Drehzahlbereich relativ rund lief, sodass wir auf Nienkes Rat hin beschlossen, ins eine Stunde entfernte Sneek zu fahren. Dort gibt es eine Menge Werften und auch Motorspezialisten.

In Sneek angekommen machte ich mich daran, die Verkleidung des Motorraums zu entfernen, um den Schaden genauer unter die Lupe zu nehmen. Und siehe da: Es war vielleicht gar nicht so schlimm wie angenommen. Offensichtlich hatte sich nur die Mutter von der einen Aufhängung der Maschine gelöst und lag nun in der Motorbilge. Durch den verkeilten Bolzen hing die Maschine noch einigermaßen gerade, sodass die Hoffnung bestand, dass sich an der Welle nichts verzogen hat.

Sofort machten wir uns daran, den Bolzen wieder festzuziehen. Zunächst dachten wir, dass wir dazu die Maschine mit einem Hebel anheben müssten, aber selbst das war nicht nötig: Durch das Anziehen des Bolzens kam die Motoraufhängung automatisch wieder in die richtige Position. Das ganze dauerte allerdings ein wenig, da ich wegen der geringen Platzverhältnisse die Mutter mit dem Ringschlüssel immer nur minimal drehen konnte und dauernd umgreifen musste.

Als ich fast fertig war, folgte allerdings der nächste Schreck: Ein deutscher Stegnachbar klopfte aufgeregt an unser Boot und wies uns auf einen beträchtlichen Ölfilm hin, der von unserem Heck ausging und sich schon mehrere hundert Meter hinter uns den Kanal langzog! Da ich gerade mit ölverschmierten Händen aus dem Maschinenraum kroch, war auch schwer zu leugnen, dass wir die Ursache des Problems waren.

Schöne Farben, aber echt Scheiße für die Umwelt…

Das war natürlich ein ziemlicher Schreck! Wir wollten natürlich auf keinen Fall für eine Ölpest in Sneek verantwortlich sein. Und die aufgeregten Warnungen des Stegnachbarn über die immensen Strafen für eine solche Umweltsauerei machten die Situation auch nicht besser.

So schlossen wir zunächst alle Seeventile und kontrollierten den Auspuff auf der Suche nach der Ursache. Es war ziemlich offensichtlich, dass der Ölfilm direkt an unserem Heck begann. Nur wo kam das Öl her? Der Dieseltank konnte es nicht sein, von dort würde der Kraftstoff bei einem Leck in die Motorbilge laufen. Die Welle ist zwar fettgeschmiert, aber das konnte unmöglich die Ursache für dieses Disaster sein. In der Motorbilge war zwar etwas Öl, aber bei einem Leck würde dort Wasser eindringen und nicht Öl auslaufen. Der Außenborder an der Reling leckte auch nicht. Ich war ehrlich gesagt ziemlich ratlos.

Nach kurzem Überlegen bat ich Nienke darum, die Wassersschutzpolizei und die Feuerwehr anzurufen. Ich hätte das Öl ja gerne gestoppt, aber keine Idee, woher es kommen könnte.

Nach kurzer Zeit kam der Hafenmeister und später die Wasserschutzpolizei vorbei. Zum Glück waren die Jungs sehr entspannt, und gemeinsam kamen wir zu dem Schluss, dass mein Boot tatsächlich NICHT die Ursache gewesen sein konnte. Auch wenn der Großteil des Ölfilms eindeutig an unserem Heck begann, gab es doch einzelne Bläschen, die schon vor unserem Bug auftauchten. Und Auftauchen ist hier das richtige Wort: Das Öl kam eindeutig aus dem Wasser kurz vor unserem Boot emporgestiegen.

Zum Glück war die Polizei sehr freundlich und extrem entspannt

Da nun deutlich weniger neues Öl auftauchte, sah die Wasserschutzpolizei keinen Anlass zu weiterem Handeln und verabschiedete sich freundlich. Wo das Öl herkam? Gute Frage. Die einzige Erklärung, die ich mir vorstellen kann, ist, dass das Motorboot, dass vor uns lag und kurz nach unserer Ankunft ablegte, die Ursache war. Vielleicht war dort beim Ablegen eine Flasche mit Zweitakter-Gemisch über Bord gegangen. Oder gar der Außenborder vom Dinghy? Wir werden es wohl nie erfahren. Ich bin jedenfalls heilfroh, dass es nicht unsere Schuld war!

Nachdem wir die Mutter vom Motorfuß wieder fest angezogen hatten und offensichtlich ohne bleibenden Schaden an der Antriebsanlage davon gekommen waren, lud ich Tom und Nienke zur Feier des Tages und als Dankeschön zum Abendessen ein. Danke an Nienke, die uns mit ihrem lokalen Wissen und ihrer Erfahrung mit Dieselmotoren unterstützt hat und danke an Tom, dank dessen feinen Gehörs wir das Problem überhaupt bemerkt hatten.

Prost und danke, liebe Mitsegler!

Am nächsten Tag fuhren wir weiter über den Prinses-Margriet-Kanal nach Lemmer und dort durch die Schleuse hinaus aufs IJsselmeer.

Motorsegeln auf dem Prinses-Margriet-Kanal
So lässt es sich auch prima arbeiten. Gar nicht schlecht, so ein schwimmendes Büro

All is well (again)!

Jan

Ende gut, alles gut. Motor läuft wieder rund. Nur die Ursache für die Ölquelle bleibt wohl ein Mysterium…

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